Autoreifen sollten maximal 10 Jahre gefahren werden. In Deutschland und Europa ist präzise geregelt, wann ein Reifen ausgetauscht werden muss. Insbesondere die Profiltiefe ist dabei maßgeblich, denn das Profil ist ausschlaggebend für die Fahrsicherheit. Aber was tun mit den alten Reifen? Und was passiert mit ihnen nach der Entsorgung? Wir haben das Thema Altreifenentsorgung ganz genau unter die Lupe genommen.

Was passiert mit Altreifen?

Jährlich fallen weltweit 1,75 Milliarden Altreifen an – das entspricht etwa 13,5 Millionen Tonnen. Ca. 60 Millionen Reifen (ca. 600.000 Tonnen) davon stammen aus Deutschland. Viele Deutsche haben zuhause bereits ein kleines Reifenlager im Keller, der Garage oder im Unterstand. Schließlich lassen sich einige für private Basteleien wie etwa Schaukeln verwenden. Allerdings rät das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) aufgrund des gesundheitlichen Risikos davon ab, Reifen als Spielgeräte zu nutzen. Schließlich ist nicht ganz klar, ob und wie schädlich die Gummichemikalien für den Menschen sind. Erwiesen ist, dass die eingesetzten Chemikalien und Stoffe „ein eindeutiges krebserzeugendes und allergenes Potenzial”  haben.

 Das Problem bleibt aber: Viele Menschen wissen nicht, was sie mit ihren Altreifen machen sollen, können oder dürfen. Seit 2003 ist es in Deutschland verboten, Altreifen zu deponieren. Sie müssen stattdessen recycelt oder kontrolliert in speziellen Öfen verbrannt werden. Doch das ist nicht überall 

Lagerung


Altreifen sind nicht oder nur sehr langsam biologisch abbaubar. Laut Experten würde es rund 2.000 Jahre dauern, bis ein Reifen von Mutter Natur vollständig zersetzt wird. Dennoch gibt es viele Orte, an denen Reifen eingelagert werden. Allerdings kann dabei von einem großen Stapel wie in der TV-Serie Die Simpsons keine Rede sein. In Kuwait gibt es eine Altreifendeponie, die über 14 Millionen Reifen einlagert – und das auf einer Fläche von nur 1 km². Diese Deponie ist bereits auf Aufnahmen aus dem Weltall zu sehen.

Im Jahr 2012 traf schließlich die zu erwartende Katastrophe ein: in der Deponie brach ein Feuer aus und etwa 500.000 Reifen verkohlten. Die Löscharbeiten dauerten mehrere Tage. Geändert hat sich seitdem lediglich der Aufbau der Deponie: aktuell gibt es mehrere kleinere Lager. Weiterverwertet werden die Reifen jedoch noch immer nicht. Allein durch die Lagerung entsteht eine hohe Belastung für Boden, Wasser und Luft – ein Feuer wie das von 2012 verstärkt diese Auswirkungen noch.

Aber nicht nur im mittleren Osten spielen sich solche Szenen ab. Nur weil die Lagerung von Reifen in Deutschland seit 2003 nicht mehr erlaubt ist, bedeutet das nicht, dass nicht auch hier Altreifendeponien existieren. Ein derartiges illegales Lager auf einem Privatgelände mit mehreren tausend Altreifen brannte Anfang 2020 in Sachsen-Anhalt ab.

Reifenlebenszyklus

Altreifen entsorgen in Deutschland

Viele Menschen wissen nicht, was sie mit abgenutzten Reifen tun sollen. Die Problematik: eine gute Altreifenentsorgung kostet Geld. Spart man sich die Kosten, kann das aber um einiges teurer werden. Wir geben Ihnen einen Überblick über Ihre Möglichkeiten:

Richtige Altreifenentsorgung

Wollen Sie bei der Altreifenentsorgung alles richtig machen, stehen Ihnen insgesamt vier Optionen zur Verfügung. Das liegt daran, dass das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz vorsieht, dass nur entsprechende Fachbetriebe eine fachgerechte Entsorgung gewährleisten können. Ihre Anlaufstellen im Überblick sind:

1. Autohäuser / Werkstätten / Reifenhandel

Nicht jedes Autohaus und jede Werkstatt nimmt Ihre Altreifen an. Tatsächlich gaben bei einer Umfrage in 2016/2017 von 172 Autohäusern, Reifenhändlern und Werkstätten nur 36 (21%) an, sie würden auch mit Altreifen handeln. In den meisten Fällen ist die Entsorgung hier allerdings recht günstig. Außerdem haben Sie oft die Möglichkeit, die Altreifen beim Kauf von neuen Reifen kostenlos zu entsorgen. Autohändler und Werkstätten entsorgen dann Ihre und viele andere Reifen gemeinsam, indem sie sie an Dritte weiterverkaufen – wie zum Beispiel Firmen für Reifenrecycling oder Wertstoffsammelstellen.

Bei dieser Option der Altreifenentsorgung haben Sie vergleichsweise wenig Einfluss darauf, wie die Reifen letztendlich entsorgt werden. In einer Onlinestudie der Initiative ZARE (zertifizierte Altreifenentsorger) wurde erfragt, woran die Betriebe die Auswahl des Entsorgungsbetriebs festmachen. Das Ergebnis:

Treiber bei der Wahl des Altreifenentsorgers

Natürlich ist den Betrieben die Wirtschaftlichkeit wichtig. Dennoch gab eine eindeutige Mehrheit in der Umfrage auch an, dass ihnen eine fachgerechte und umweltschonende Entsorgung am Herzen liege und dass sie von ihrem Entsorger diesbezüglich eine seriöse Vorgehensweise erwarteten.

2. Private Entsorgungsunternehmen

Bei privaten Entsorgungsunternehmen überspringen Sie eine der Zwischenstufen im Altreifenentsorgungsprozess – zumindest im Vergleich zur Entsorgung über Auto- und Reifenhändler. Die oben genannten Abnehmer von Altreifen wenden sich zum Teil selbst an private Entsorgungsunternehmen, um die Reifen zu entsorgen. Prinzipiell gehen diese Unternehmen ähnlich mit den Reifen vor, wie Wertstoffhöfe:

3. Wertstoffhöfe

Die meisten Wertstoffhöfe (aber nicht alle) nehmen Altreifen an, jedoch nicht immer zusammen mit den Felgen. Die Gebühren sind verschwindend gering und Sie können davon ausgehen, dass die weitere Entsorgung fachgerecht erfolgt. Schließlich werden Recyclinghöfe meist von öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern betrieben und sind im Allgemeinen an strenge Auflagen gebunden. Nach Angaben von Berlin Recycling (insgesamt 12 Wertstoffhöfe) werden die Autoreifen geprüft und nach ihrer Tauglichkeit für die entsprechende Wiederverwertung (Runderneuerung) eingestuft. 5% der Reifen wurden im Jahr 2017 auf diese Weise recycelt. Der Rest wird geschreddert und zur Weiterverwertung in die einzelnen Bestandteile aufgeteilt. Mehr dazu unter Altreifenrecycling unten.

4. Firmen für Reifenrecycling

Wenn Sie sich für eine Fachfirma für Reifenrecycling entscheiden, haben Sie verhältnismäßig große Kontrolle über die Weiterverwertung Ihrer Reifen. Sie wissen, dass sie von dem Betrieb weitergenutzt werden und nicht einfach auf Deponien im Ausland abgeladen oder in Ländern wie Indien oder China auf weniger umweltbewusste Weise weiterverwertet werden. Eine Möglichkeit, auf Nummer Sicher zu gehen ist die Suche nach einem Unternehmen mit ZARE-Zertifizierung.

ZARE steht für „Zertifizierte Altreifenentsorger” und ist eine Initiative des Bundesverbands Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. Seit 2015 ist ZARE dabei, Unternehmen zu zertifizieren, die den Anforderungen an die Altreifenentsorgung entsprechen. Derzeit (Stand 2020) gibt es in Deutschland 18 solcher Altreifenentsorger und Reifenrezyklatvertreter. Neben den gesetzlichen Vorschriften fordert ZARE von zertifizierten Unternehmen auch eine Reihe eigener Kompetenzen und Kriterien. Dieses Maß an Genauigkeit und umweltbewusster Einstellung bringt Gewissheit für alle Beteiligten bei der Altreifenentsorgung.

Falsche Altreifenentsorgung

Im Hausmüll oder auf der Deponie haben Altreifen nichts zu suchen. Ebenso wenig ist es erlaubt, Altreifen zu verbrennen, zu vergraben, oder einfach irgendwo abzuladen. Auch der Sperrmüll wird sich Ihrer Reifen nicht annehmen.

Halten Sie sich nicht an die Vorschriften, droht ihnen je nach Bundesland ein Bußgeld von bis zu 20.000 Euro.

Neben diesen tatsächlich illegalen Methoden gibt es noch andere Wege der Altreifenentsorgung, die zwar nicht verboten sind, aber dennoch nicht empfohlen werden können. Viele, oft sehr günstige Anbieter nehmen Altreifen an, um sie dann ins Ausland zu transportieren. Ihre alten Reifen werden so in Länder mit weniger strengen gesetzlichen Vorschriften verfrachtet. Dies kann sich auf die Richtlinien zur Lagerung beziehen oder auf die Weiterverwendbarkeit der Reifen. Haben ihre Reifen noch ein gutes Profil, werden sie oft zur weiteren Verwendung z.B. nach Indien verkauft. Doch auch, wenn Sie Ihre Altreifen zum Recycling abgeben, bedeutet das nicht immer etwas Gutes. Insbesondere in Ländern mit fragmentarischen gesetzlichen Bestimmungen oder Kontrollen kommt es auf eben diesen „Recyclinghöfen” zu erheblichen Umweltsünden.

Der Knackpunkt ist wie so oft das Geld. Schließlich möchte man für die Entsorgung von Müll nicht unbedingt Geld ausgeben – auch, wenn es nicht viel ist.

Die Kosten der Altreifenentsorgung

Natürlich variiert der Entsorgungspreis im Allgemeinen, es lassen sich jedoch einige Rahmenwerte für die Altreifenentsorgung aufstellen. Grundsätzlich wird zwischen einer privaten und einer gewerblichen Entsorgung und der Art der Reifen unterschieden – sprich LKW-, Traktor- oder PKW-Reifen. Hinzu kommen Faktoren, wie etwa ob Sie beim Verkauf Ihrer Altreifen gleichzeitig neue Exemplare beim Abnehmer erwerben (manchmal können Sie Ihre Reifen dann kostenfrei gegen die neu gekauften Reifen austauschen) und ob die Reifen geliefert oder abgeholt werden sollen. Zu guter Letzt spielen auch die Felgen eine Rolle: Sollen diese mitentsorgt werden, kostet die Entsorgung etwas mehr.

Anhand dieser Faktoren lässt sich folgende Übersicht ermitteln:

ArtKosten
Privat (bis 10 Stück)1 - 5€   / Reifen
Geschäftlich5 - 20€ / Reifen
(L)LKW5 - 30€ / Reifen
Traktorreifen7 - 50€ / Reifen

Diese Daten bilden einen Durchschnitt der von mehreren Dienstleister veröffentlichten Daten. Kommen Felgen hinzu, steigt der Preis für PKW-Reifen um ca. 1€  und der für (L)LKW-Reifen um 5-15€.

Altreifenrecycling

Um den Prozess des Altreifenrecyclings vollständig nachvollziehen zu können, müssen wir uns erst dem Aufbau von Reifen widmen. 

Bei der Produktion eines Reifens werden unterschiedliche Stoffe verarbeitet. Tatsächlich bestehen sie nicht einmal zur Hälfte aus „Gummi”. Reifen setzen sich zu 41% aus Kautschuk, zu 30% aus Füllstoffen, zu 15% aus Stahl und unterschiedlichen Textilien, zu 6% aus Ölen und Harzen, zu 6% aus chemischen Verbindungen und zu 2% aus Antioxidationsmitteln zusammen. Natürlich gibt es Unterschiede, wie zum Beispiel zwischen Winter-, Sommer- und Ganzjahresreifen. Insbesondere die Kautschukmischung unterscheidet sich bei den saisonalen Reifen stark, da der Winterreifen weich, der Sommerreifen aber hart sein muss, um den entsprechenden „Extremtemperaturen” standhalten zu können.

Was kann recycelt werden?

Nun wissen wir also, woraus ein Reifen besteht. Bestimmte Bestandteile verflüchtigen sich über die Jahre, so zum Beispiel die Öle, die als Weichmacher dienen. Es stellt sich also die Frage, was von dem Altreifen recycelt werden kann, und wie.

Bestandteile des Reifenrecyclings

Ein abgenutzter Reifen kann für das Recyclingverfahren in folgende Bestandteile aufgeteilt werden, die dann entsprechend aufgearbeitet werden können:

Woraus besteht ein reifen

Die Hauptbestandteile, die beim Recyceln eines Altreifens gewonnen werden können, sind:

  • Gummi(Granulat): Die unterschiedlichen Kautschukmischungen können für eine Vielzahl neuer Produkte verwendet werden oder sogar zur Produktion „neuer” Reifen, insbesondere für die Runderneuerung.
  • Stahl: Stahl kann gereinigt und wieder eingeschmolzen und dann auf vielfältige Weise weiterverwendet werden.
  • Textilien: In einem einzigen Reifen steckt bis zu 1 kg Textilmaterial, das insbesondere im Bauwesen für die Herstellung von Stahlbeton eingesetzt werden und die Qualität der Produkte verbessern kann.


Wie kann recycelt werden?

Grundsätzlich gibt es sechs Wege der Altreifenentsorgung. Die schlechteste Methode ist und bleibt die Entsorgung auf einer Deponie. Erstens können diese – wie in Kuwait oder Sachsen-Anhalt – in Brand geraten und zweitens zersetzt sich Gummi und setzt teilweise über längere Zeit toxische Substanzen frei. Außerdem geht der Altreifen in diesem Fall wertstofflich verloren, obwohl es viele Möglichkeiten der Verwertung gibt. Diese sind:

 1. Thermische Verwertung

Bei der thermischen Verwertung wird der Reifen kurz gesagt verbrannt. Dies aber nicht nur, um den Reifen zu entsorgen, sondern auch um die bei der Verbrennung gewonnene Energie und die entstehenden Rückstände weiterzunutzen. Einsatzgebiete sind hauptsächlich Heizkraftwerke und Zementwerke. Der Einsatz von Altreifen in Heizkraftwerken ist eine umweltunfreundliche Lösung und kommt in Deutschland nicht zustande.

In der Zementindustrie werden Altreifen jedoch oft eingesetzt, da neben der thermischen Verwertung auch stoffliche Anteile der Altreifen genutzt werden: die Rückstände werden fast vollständig in den Zement eingebacken. Zwischen 35 und 40% der in Deutschland anfallenden Altreifen wurden laut Umweltbundesamt zwischen 2012 und 2015 in der Zementindustrie verwertet.

Quelle: Umweltbundesamt.de

2. Rohstoffliche Verwertung

Bei der rohstofflichen Verwertung handelt es sich um das Recycling von Altreifen. Mithilfe einer Reihe unterschiedlicher Verfahren werden Rohstoffe wie Ruß, Stahl und Kautschuk gewonnen, die im Anschluss weiterverwendet werden können, zum Beispiel auch für die Reifenproduktion.

Tatsächlich befindet sich diese Art der Verwertung im Umbruch: neue Methoden machen das Recycling nicht nur besser, sondern fördern diese vergleichbar umweltfreundliche Verwertungsmethode ungemein. Beispiele für ‚revolutionäre Vorgehensweisen‘ sind zum Beispiel die kanadische Firma EWI (Environmental Waste International) oder die niederländische Firma Black Bear.

Während EWI das Gummi mit Mikrowellenenergie zersetzt und daraus qualitativ hochwertigen Ruß, Stahlschrott, Öl und Gas oder Überschussstrom gewinnt, arbeitet Black Bear mit einem Karbonisierungsverfahren, bei dem der bei der Reifenherstellung angewandte Vulkanisierungsprozess praktisch rückgängig gemacht wird. Dadurch werden qualitativ hochwertiges Gummi, Industrieruß, Biokraftstoff und erneuerbare Energie produziert.

3. Wertstoffliche Verwertung

Hierbei werden die Reifen nach gründlicher Sortierung in ‚noch fahrbare‘ und ‚nicht mehr fahrbare‘ Reifen mechanisch zerlegt. Dabei werden Textile, Metall und Gummi voneinander getrennt. Das Gummi kann grob oder fein gemahlen (je feiner, desto hochwertiger) und anschließend für die Produktion neuer Reifen genutzt werden. Manche besonders innovative Reifenhersteller sollen sogar bis zu 20% „Altgummi” bei der Produktion einsetzen. Dabei entstehen besonders leise Reifen mit geringem Laufwiderstand. 

Abgesehen von der Reifenherstellung kann gemahlener Gummi auch in vielen anderen Bereichen zum Einsatz kommen. So zum Beispiel bei Asphaltbelägen, auf Sportplätzen oder im Straßenunterbau. Bei der Nutzung für Asphaltbeläge profitiert man davon, dass die Fahrbahn etwa 75% haltbarer und allgemein resistenter gegen Frost sowie bei der Befahrung leiser ist. Allerdings ist noch unklar, welche Umweltauswirkungen der Einsatz von gemahlenem Gummi insbesondere bei der Mischung mit anderen Kunststoffen (wie bei der Produktion von Sportplätzen) hat. Schließlich zersetzt sich Gummi im Laufe der Zeit und eine Vermischung mit anderen Materialien macht das weitere Recyceln um einiges schwieriger.

Eine Ökobilanzstudie aus Dänemark verglich die Verwertung im Zementofen mit der stofflichen Verwertung (Nutzung für Asphalt oder Kunstrasen) basierend auf neun Umweltwirkungskategorien und kam zu dem Schluss, dass die stoffliche Verwertung in allen Punkten umweltverträglicher ist und die Unterschiede größtenteils wesentlich sind. Daher wäre es im Sinne der Umwelt und der Nachhaltigkeit besser, diesen Bereich besonders zu fördern und voranzutreiben.

4. Runderneuerung

Bei der Runderneuerung wird der Reifen mit einer neuen Gummischicht überzogen (die zum Teil auch aus der bereits genannten Verwertung stammt) und nach höchsten Sicherheitsstandards geprüft, um dann wieder verkauft und befahren zu werden. Die Qualität dieser Reifen genügt extrem hohen Ansprüchen, allerdings sind runderneuerte Reifen mit qualitativ hochwertigen Neureifen nicht gleichzustellen. Besonders oft wird diese Art der Verwertung bei LKW-Reifen angewandt. Diese können bis zu viermal runderneuert werden. Deshalb sind in Deutschland auch ca. 40% der LKW-Reifen runderneuert.

5. Weiterverwertung

Nicht jeder Altreifen ist automatisch schrottreif. So können viele abgefahrene Reifen anderorts (durch Export) weiter befahren werden oder auch durch „Nachschneiden” wieder eine entsprechende Profiltiefe erreichen (dieses Verfahren eignet sich nicht für alle Reifen). Beim Export bleibt das Risiko bestehen, dass die Reifen im Ausland nicht befahren werden, sondern auf Deponien landen oder verbrannt werden.

Neben der bestimmungsgemäßen Weiternutzung können Reifen aber auch anders weiterverwertet werden: und zwar durch Zweckentfremdung. Insbesondere als Prallschutz für Boote oder zum Beschweren von Planen in der Landwirtschaft sind Altreifen besonders gut geeignet. Diese Art der Altreifenverwertung ist die umweltfreundlichste, da keine zusätzliche Energiezufuhr benötigt wird und die Reifen so lang wie möglich optimal genutzt werden.

Altreifenentsorgung in Deutschland

Wie eingangs bereits erwähnt, produziert Deutschland im Jahr ca. 60 Millionen Altreifen, was etwa 600.000 Tonnen „Abfall” bedeutet. Das Umweltbundesamt schätzt anhand der verfügbaren Daten, dass ca. 40% dieser Altreifen thermisch verwertet werden. Eben diese Schätzung ist es auch, die dazu führt, dass Angaben unterschiedlicher Quellen leicht voneinander abweichen.

Quelle: Umweltbundesamt.de

Dennoch steigt aber auch der Anteil der stofflichen Verwertung von Altreifen in Deutschland seit 2003 (Abschaffung der Deponierung von Altreifen) stetig an. Dieser Trend lässt sich anhand der vom wdk (Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie) erfassten Daten visuell leicht erkennen:

Altreifen Verwertungswege

Insgesamt steigt die Recyclingquote von Altreifen stark an, was auf eine positive Entwicklung hinweist. Hinzu kommt, dass Reifen generell dank besserer Produktionsverfahren und der Runderneuerung langlebiger sind und so größerer Nutzen aus ihnen gezogen werden kann. Dennoch gibt es in Bezug auf innovative Recyclingverfahren noch Verbesserungspotenzial. So setzen viele Branchen weiter auf die wirtschaftlichste (sprich: kostengünstigste) Lösung, die aber nicht immer die umweltfreundlichste ist. Von Seiten der EU trat daher auch eine Altfahrzeug-Richtlinie in Kraft, die verlangte, dass bis 2015 95% des Gewichts von Altfahrzeugen nicht thermisch verwertet oder deponiert wird ,sondern wiederverwertet oder recycelt werden muss. In Deutschland trat dafür die Altfahrzeug-Verordnung von 2002 in Kraft. Obwohl diese Richtwerte laut Umweltbundesamt eingehalten werden, besteht noch viel Potenzial zur Optimierung der Recyclingmöglichkeiten, da einige Optionen derzeit noch nicht verfügbar sind. Insbesondere bei der Verwertung von Glas und Kunststoffen, Elektrobauteilen und E-Autos (insbesondere die Lithiumbatterien) steht die Recyclingindustrie noch vor Herausforderungen.

Altreifenentsorgung Infografik

Europa

Wie aber sieht es mit der Altreifenentsorgung und -verwertung in anderen EU-Ländern aus? Viele Länder stehen in Bezug auf die sachgemäße Altreifenentsorgung vor einer großen Herausforderung. Laut einer Studie aus dem Jahr 2018 wurden zum Beispiel in Schottland von über 4 Millionen Altreifen etwa die Hälfte unsachgemäß entsorgt. Es mangelte vor allem an der Verfügbarkeit qualifizierter Reifenreyclingbetriebe und es wurde ein wesentliche Zahl krimineller Handlungen bei der Lagerung von Altreifen festgestellt, so die Studie der schottischen Umweltschutzbehörde SEPA. Basierend auf den Ergebnissen dieser Studie wurden konkrete Pläne zur Bekämpfung der Problematik erarbeitet.

Auch Schweden kämpft mit Herausforderungen im Bereich Recycling – nicht nur von Altreifen. So lag die Gesamt-Recyclingquote dort im Jahr 2017 bei unter 50%. Im Vergleich dazu stand Deutschland mit 66% weit besser da. Auch im Vergleich zur EU insgesamt, in der von 2007 auf 2016 10% mehr recycelt wurde, scheint die Quote in Schweden zu stagnieren. Um herauszufinden, woran das liegt und wie dies verbessert werden kann, wurde im Jahr 2018 eine Arbeitsgruppe berufen, die sich mit dem Thema Kreislaufwirtschaft befasst. Dennoch gibt es auch positive Entwicklungen: so setzen individuelle Firmen oft auf innovative Lösungen, wie zum Beispiel Lundstams Recycling. Dort werden seit 2019 Roboter mit künstlicher Intelligenz eingesetzt, um Abfall automatisch und intelligent zu sortieren und damit den Recyclingkreislauf zu optimieren.

Wendet man den Blick von einem nordischen Land zum anderen, zeigt sich ein ganz anderes Bild. Absoluter Vorreiter in Punkto Recycling ist Dänemark. Bereits 1995 führte das Land ein Altreifensammelsystem ein, das nicht nur revolutionär, sondern auch erfolgreich war und ist. Das System beruht insbesondere auf einer Belohnungsbasis: „Je klima- und umweltfreundlicher die Technologie des Verarbeiters/Recyclers, desto mehr erhält der Sammler aus dem Fonds”, so die dänische Altreifenrecyclingfirma Genan. Aus den von dieser Firma produzierten Recyclingprodukten wird eine Vielzahl neuer Produkte hergestellt, wie zum Beispiel Sandalensohlen, Fitnessgeräte oder unterschiedlichste Bodenbeläge. Das Unternehmen ist das weltweit größte seiner Art und kann laut eigenen Angaben in zahlreichen Werken weltweit 400.000 Tonnen Altreifen pro Jahr verarbeiten.

Altreifenrecycling in europaischen landern

Weltweit

Weltweit zeichnet sich ein ernüchternderes Bild ab. Während in der europäischen Union trotz Reformen und Verordnungen noch viel Verbesserungspotenzial existiert, sind viele andere Länder weit von einem umweltfreundlichen Umgang mit Altreifen entfernt. Insbesondere China sticht negativ hervor.

China

Als Land mit der größten Automobilindustrie überhaupt steht auch China in Sachen Altreifenentsorgung vor einer großen Herausforderung. Aus Berichten aus dem Jahr 2012 gehen noch gefährlichere Informationen hervor, die kein umweltfreundliches Bild zeichnen. Obwohl seit 2010 seitens des Industrieministeriums Pläne für eine „vernünftige Entsorgung von Altreifen” erarbeitet wurden, ist beispielsweise die Verbrennung von Altreifen oder die Wiederverwertung ungeeigneter Reifen immer noch gängige Praxis.

China produziert pro Jahr ca. 13 Millionen Altreifen. Diese haben sich über die Jahre angesammelt, sodass laut Reuters mehr als 300 Millionen Altreifen ungenutzt gelagert werden oder als Brennmaterial zur Energiegewinnung genutzt werden.

Aber auch in China wird das Potenzial von recycelten Reifen erkannt. Seit 2015 ist ein Recyclingpark im Bau, in dem jährlich 100.000 Tonnen Gummi recycelt werden sollen. Das Projekt wurde mit 340 Millionen US-Dollar gefördert. Außerdem existieren bereits Wiederaufbereitungsanlagen für Reifengummi zwecks Weiterverarbeitung u.a. als Straßenbelag. Was aber klar zu fehlen scheint, ist die Motivation, das Potenzial von Altreifen für eine umweltfreundliche Verwertung zu nutzen.

USA

In den Vereinigten Staaten gibt es im Vergleich zu Deutschland nur wenige Vorschriften, die eine umweltfreundliche Entsorgung von Altreifen vorantreiben. Tatsächlich sind die Zahlen bestürzend:

Altreifenverwertung USA

Im Jahr 2017 wurden ca. 16% der 300 Millionen jährlich anfallenden Altreifen auf Deponien entsorgt. Der Grund: synthetisches Gummi aus günstig importiertem Öl und neue Produktionsverfahren machen Reifen günstiger und erschweren gleichzeitig den Recyclingprozess. Gleichzeitig mangelt es an Anreizen für das Recycling. Die Lagerung birgt ein Risiko durch Wasseransammlungen und das langsame Zersetzen der Reifen, was zur Kontamination des Bodens führt. Hinzu kommen auch in den USA Brände auf Deponien, wie zum Beispiel im Dezember 2019. Das Feuer, das auf einer Deponie mit etwa einer Millionen Altreifen in Minto, Nebraska ausbrach, konnte erst nach einer Woche vollständig gelöscht werden.

Besonders sichtbar wird, dass in den USA noch immer ein extrem hoher Anteil der Altreifen thermisch verwertet wird, d.h. als Brennstoff, anstatt auf die weit umweltfreundlichere, nachhaltigere stoffliche Verwertung zu setzen. Folgende statistische Daten aus dem Jahr 2015 zeigen dies im Vergleich zwischen den USA und Europa:

Europa vs USA

Ausblick

Die Möglichkeiten für eine umweltfreundliche Altreifenentsorgung existieren und reifen immer weiter aus. Warum also werden weltweit noch immer derart viele Altreifen deponiert, verbrannt und thermisch verwertet? Das Problem liegt wie so oft in der Einstellung: Einerseits fehlt vielerorts noch die Einsicht, dass der Schaden an der Umwelt anhaltend und gefährlich ist, und andererseits steht für viele der finanzielle Vorteil, der durch die Nutzung von günstigen Reifen als Brennstoff entsteht, im Vordergrund.

Insbesondere Dänemark beweist, wie Investitionen von Staat und Industrie den Markt verändern und verbessern können. Es bedarf weiterer Verbesserungen der Recyclingmethoden, um die gewonnenen Rohstoffe und Materialien qualitativ noch hochwertiger und damit auch marktfähiger zu machen. Doch auch dann ist eine staatliche Förderung generell und auch in Deutschland ungemein wichtig, um den Unternehmen weitere Anreize zu bieten, wiedergewonnene Rohstoffe zu nutzen und neue Nutzungswege zu suchen.

Es ist eine Herausforderung, vor der nicht ein Land alleine, sondern die ganze Welt gemeinsam steht. Doch mit jedem Land, das wie Dänemark einen neuen Weg einschlägt, gewinnt der Umschwung an Kraft und Einfluss. Eine nachhaltige Einstellung kann sich nur etablieren, wenn auch das gesamte Wirtschaftssystem reformiert wird. Der Fokus muss sich von der gegenwärtigen Linearität hin zu einer zirkulären Denkweise ändern, bei der die Lebensdauer eines Produkts nicht unmittelbar nach seiner Verwendung endet.

Geschlossener Kreislauf

Das Beispiel des Reifenrecyclings führt deutlich vor Augen, wie nützlich eine gut strukturierte Kreislaufwirtschaft sein kann. Tatsächlich könnte sich die Reifenindustrie durch die Wiederverwendung von Rohstoffen größtenteils selbst versorgen, was nicht nur der Umwelt zugutekommen, sondern auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen würde. Allerdings mangelt es noch stark an der Popularität von recycelten Rohstoffen und Produkten, um diese Vision derzeit zu verwirklichen. Dennoch wird mit viel Mühe geforscht, um Prozesse und Möglichkeiten zu entwickeln, die eine umweltfreundlichere Zukunft ermöglichen.

Welche Maßnahmen ergreifen die Reifenhersteller selbst?

Natürlich muss die Veränderung auch von innen heraus geschehen. Reifenhersteller haben die Entscheidungsgewalt über ihre Ressourcenquellen und Bezugswege. Derzeit nutzen einige der großen Unternehmen folgende Möglichkeiten:

Continental

Continental verwirklicht die Kreislaufwirtschaft über ein eigenes System namens ContiLifeCycle. Hierbei werden Stahlkarkasse, Gummi und Ruß zurückgewonnen und wiederverwertet. Der Anteil der Recyclingmaterialien am Produktionsprozess wird sich durch diese Methode bei Continental bis 2025 auf etwa 10% erhöhen. Das ist nicht unbedeutend, denn laut eigenen Angaben wird fast jedes dritte Auto in Europa mit Continental-Reifen ausgestattet.

Continental Infografik

Goodyear

Goodyear setzt auf den Bezug von Rohstoffen, die umweltfreundlich hergestellt werden können. Anstelle von Naturkautschuk wird hier auf synthetisches Kautschuk bei der Reifenproduktion gesetzt, das aus recycelten Materialien gewonnen wird. So werden weniger natürliche Rohstoffe verbraucht.

Goodyear Infografik

Michelin

Die Marke Michelin hat einen sehr individuellen Ansatz für umweltfreundlichere Reifen gefunden: insbesondere das Reifenmodell Michelin Uptis, das bis 2024 serienreif sein soll, steht hier im Vordergrund. Der Reifen fährt ohne Luft und ist so quasi pannenfrei. Bei der Herstellung fällt weniger Abfall an und die Nutzung allgemein ist deutlich umweltschonender.

Michelin Infografik

Nokian

Nokian ist ein finnischer Hersteller und macht dem grünen Ruf der skandinavischen Nationen alle Ehre. Nokians Ansatz setzt auf die Wiederverwertung von Altreifen, sowohl im Recyclingprozess als auch bei der Runderneuerung. Das Ziel ist es, die Qualität runderneuerter Reifen mit der von Neureifen vollkommen gleichzustellen.

Inforgrafik Nokian

Pirelli

Bei Pirelli wird stark auf die Optimierung der Produktionsprozesse gesetzt. Die wichtigsten Umweltmaßnahmen, die hier implementiert werden, sind die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks, des Wasserverbrauchs und der Produktionsabfälle (durch Wiederverwertung).

Infografik Pirelli